Die Social-Audio-App Clubhouse hat ein Problem: Der Hype ist erst einmal vorbei. Im April ist die Zahl der Installationen um mehr als zwei Drittel gesunken, sie war in der ersten Aprilhälfte nur noch sechsstellig

Anekdotisch – und auch nach meinem Eindruck – ist nicht nur die ”Neuartigkeit” verblasst, sondern auch die Zahl der interessanten/einladenden Gesprächsthemen und der anwesenden Leute zurückgegangen. Ed Z. skizziert in seinem Newsletter das Kuratierungs- und Designproblem dahinter: 

Opening up Twitter and reading what people say is interesting and easy to do – opening up Clubhouse requires you to actively listen to people and hope that what they’re saying is interesting. Consuming the content isn’t easy, nor is it particularly fun. 

Oder liegt es an den Anwesenden? Um aus einem CNBC-Artikel zu zitieren:

I tried to get into it for a bit, but the only rooms it was showing me were run by the kinds of people who unironically call themselves ‘growth hackers’,” one user told CNBC, adding that it felt like social media managers arrived before everyone else.

An Geld mangelt es Clubhouse nicht: Vier Milliarden Dollar lautet die aktuelle Bewertung nach einer nicht veröffentlichten Investitionsrunde (Series C). Was ziemlich genau dem entspricht, was einst Twitter für eine Übernahme zahlen wollte. Was signalisieren könnte, dass sich Clubhouse für weitere Übernahmegespräche (mit wem auch immer) schick macht.

Clubhouse sorgte in der Hype- und Semi-Lockdown-Phase Anfang des Jahres jeweils mit prominenten Gästen für Aufmerksamkeit. In Deutschland waren das Leute wie Thomas Gottschalk oder Arafat Abou-Chaker; in den USA traten neben bezahlten Promis wie Justin Bieber vor allem Tech-Größen wie Mark Zuckerberg, Elon Musk oder Marc Andreessen auf, Letzterer ein Hauptinvestor in Clubhouse. Ryan Broderick bekanntermaßen ein Clubhouse-Skeptiker. Er schreibt in seinem Webkultur-Newsletter:

I assume we’ll look back on it [Clubhouse] as a weird COVID fad. And, more worryingly, I fear that Clubhouse’s ultimate legacy will be that any app can grow a massively over-inflated valuation simply because it convinced 1000 extremely rich people in Silicon Valley to use it first. 

Der zwischenzeitliche Erfolg der Clubhouse-Aufmerksamkeitsstrategie zeigt sich auch im Einfluss auf die Produktentwicklung anderer FirmenLinkedIn, Reddit, Twitter, Facebook, Spotify haben alle Clubhouse-Klone geplant oder gestartet. Und da sind noch gar nicht die ganzen anderen Social-Audio-Startups mitgezählt, die nun auf Team- und Produkt-Übernahmeangebote spekulieren dürften.

Die Integration von Social Audio in andere Produkte wirft eine Frage auf, die im Plattformzeitalter regelmäßig gestellt wird: Handelt es sich um ein Produkt oder nur eine Funktion? Ist also ”Social Audio” ein eigenes Genre oder eben nur ein Teil von “Social” bzw.“Audio”

Copy & Paste – ich vereinfache – in bestehende Systeme ist seit Jahren gängig – ZDnet brachte bereits 2013 die Facebook-Strategie auf einen einfachen Nenner“Buy the best, copy the rest” Der erfolgreichste Produkt-als-Feature-Klon des Zuckerberg-Konzerns sind die selbstlöschenden Kurzvideos, die Snap prominent machten und dann von Facebook als Instagram Stories kopiert und integriert wurden. Erst vergangene Woche stellte Facebook diverse Audio-Features vor, unter anderem eben einen Clubhouse-Klon. Das führte intern zu dieser Reaktion:

Ryan Mac🙃 @RMac18The top employee voted question at today’s internal Facebook Q&A for Mark Zuckerberg: „What is our next big product, which does not imitate already existing products on the market?“April 22nd 2021593 Retweets9,692 Likes

Facebook ist zwar besonders kopierfreudig, aber nicht alleine: Auch Apple hat diverse Funktionen anderer Apps oder von Jailbreaks in iOS integriert, Google ebenso in Android. Microsoft erledigt das Ganze wiederum durch Zukäufe.

Die Strategie Apps-als-Feature ist einerseits defensiv: Facebook konnte mit der Snap-Kopie verhindern, dass die junge Zielgruppe von Instagram abwandert. Ähnlich Twitter: 2015 bediente sich die Videostreaming-App Meerkat an Twitters Graph-API, Twitter blockierte Meerkat innerhalb kurzer Zeit und kaufte mit Periscope ein direktes Konkurrenzprodukt, um es seinerseits zum Twitter-Feature zu machen.

Auf der anderen Seite ist die Integration ein vor allem aus China importiertes Versprechen, wo “Super Apps” verschiedenste Social-, E-Commerce-, und Payments-Features vereinen, also alle Funktionen bündeln. Allerdings hat sich die Methode “Schweizer Taschenmesser” bislang in den USA und Europa nicht durchgesetzt.

Und, drittens und nicht zu vergessen – 2021 bedeutet “Apps-als-Feature” auch: Vorsicht, die Wettbewerbsbehörden gucken zu!

Modularität und Medienbrüche

Ob wir von einem Produkt oder einem Feature reden, hängt von der Möglichkeit der Modularisierung ab – also ob ich es unkompliziert zu einem Baustein meines Systems machen kann.

Ein plakatives Beispiel: Microsoft kaufte die To-Do-App Wunderlist, weil im Office-Kontext To-Do-Listen sinnvoll sind (das Beispiel hinkt etwas, weil man danach de facto die Wunderlist-Leute auf die hauseigene ToDo-App ansetzte). Oder Facebook und Snap: Der Kern der Snap-Idee war, ein Netzwerk auf kurze, selbstlöschende Videos aufzubauen. Das widersprach der damals üblichen Instagram-Nutzung (als soziales Netzwerk aus kuratierten Fotos), aber passte gut zur Grundsatzidee von Instagram als kamerabasierten sozialen Netzwerk.

Modularität hat aber Tücken, die in Umsetzung der Integration (vgl. Twitter und Periscope) und Funktionalität der Haupt-Software liegen: Ben Thompson merkt an, dass Social Audio als Funktion bei text- und videozentrierten Plattformen einem Medienbruch gleich kommt. Er schreibt über die angekündigten Live-Audioräume bei Facebook:

I am skeptical for many of the same reasons I am skeptical about Twitter Spaces. First and foremost, both Twitter and Facebook are about scrolling a feed of information that is both visual and information dense. Audio content is the exact opposite — it is something you listen to in the background, and it is more about entertainment than information density. Yes, I understand that Twitter has your interest graph, and that Facebook has your social graph, but I continue to believe that mismatch in medium matters more than the relative advantage the two social networks have in terms of network

Ich bin aus zwei Gründen weniger skeptisch:

1. Die eigentliche Strategie, die Twitter und Facebook gerade verfolgen, zielt auf ”Creator”/”Kreative”. Konkret: Auf Menschen (und Organisatoren), die Fans/Anhänger/ein Publikum haben. Und die über die Plattformen Newsletter, Livevideo, Live-Audioauftritte aus einer Hand anbieten (und dafür Abo-Zahlungen verlangen könnten). Audio ist dabei ein Baustein, aber nicht der zentrale. De facto genügt es den Plattformen womöglich schon, das Clubhouse-Wachstum zu stoppen, bevor das dortige Creator-Programm in Schwung kommt (btw: bei Substack, also im Newsletter-Bereich, wird das schwieriger, da man dort schon weiter ist).

2. Ben Thompson hat mit seinem Medienbruch recht (und sieht deshalb Spotify als größten Clubhouse-Konkurrenten). Der Medienbruch passt aber meiner Meinung nach nicht auf alle textbasierten Plattformen: Ein Reddit mit Social Audio ist für mich zum Beispiel eine Variation von Discord (ebenfalls eine Social-Audio- und Chat-App, die ihren Ursprung im Gamingbereich hatte, aber inzwischen als Dauer-Chatraum fungiert). Bei LinkedIn passt Social Audio wiederum zur Zielgruppe; das schafft Anreize, Hindernisse in der Nutzeroberfläche zu ignorieren (und wer LinkedIn nutzt, erwartet sowieso nicht viel in Sachen Bedienfreundlichkeit, höhö).

Für Clubhouse bedeutet das, unabhängig vom möglichen Erfolg dieser Projekte, nichts Gutes. Denn die Communitys auf Clubhouse sind noch nicht gefestigt, die Vernetzung und der weitere Austausch finden nicht unbedingt auf Clubhouse selbst statt. Das macht die App modularisierbar, drängt sie also in die Spalte “Funktion”. Clubhouse ist deshalb ( genau wie Discord): ein Übernahmekasdfasdf

Die Social-Audio-App Clubhouse hat ein Problem: Der Hype ist erst einmal vorbei. Im April ist die Zahl der Installationen um mehr als zwei Drittel gesunken, sie war in der ersten Aprilhälfte nur noch sechsstellig

Anekdotisch – und auch nach meinem Eindruck – ist nicht nur die ”Neuartigkeit” verblasst, sondern auch die Zahl der interessanten/einladenden Gesprächsthemen und der anwesenden Leute zurückgegangen. Ed Z. skizziert in seinem Newsletter das Kuratierungs- und Designproblem dahinter: 

Opening up Twitter and reading what people say is interesting and easy to do – opening up Clubhouse requires you to actively listen to people and hope that what they’re saying is interesting. Consuming the content isn’t easy, nor is it particularly fun. 

Oder liegt es an den Anwesenden? Um aus einem CNBC-Artikel zu zitieren:

“I tried to get into it for a bit, but the only rooms it was showing me were run by the kinds of people who unironically call themselves ‘growth hackers’,” one user told CNBC, adding that it felt like social media managers arrived before everyone else.

An Geld mangelt es Clubhouse nicht: Vier Milliarden Dollar lautet die aktuelle Bewertung nach einer nicht veröffentlichten Investitionsrunde (Series C). Was ziemlich genau dem entspricht, was einst Twitter für eine Übernahme zahlen wollte. Was signalisieren könnte, dass sich Clubhouse für weitere Übernahmegespräche (mit wem auch immer) schick macht.

Clubhouse sorgte in der Hype- und Semi-Lockdown-Phase Anfang des Jahres jeweils mit prominenten Gästen für Aufmerksamkeit. In Deutschland waren das Leute wie Thomas Gottschalk oder Arafat Abou-Chaker; in den USA traten neben bezahlten Promis wie Justin Bieber vor allem Tech-Größen wie Mark Zuckerberg, Elon Musk oder Marc Andreessen auf, Letzterer ein Hauptinvestor in Clubhouse. Ryan Broderick bekanntermaßen ein Clubhouse-Skeptiker. Er schreibt in seinem Webkultur-Newsletter:

„I assume we’ll look back on it [Clubhouse] as a weird COVID fad. And, more worryingly, I fear that Clubhouse’s ultimate legacy will be that any app can grow a massively over-inflated valuation simply because it convinced 1000 extremely rich people in Silicon Valley to use it first.“

Der zwischenzeitliche Erfolg der Clubhouse-Aufmerksamkeitsstrategie zeigt sich auch im Einfluss auf die Produktentwicklung anderer FirmenLinkedIn, Reddit, Twitter, Facebook, Spotify haben alle Clubhouse-Klone geplant oder gestartet. Und da sind noch gar nicht die ganzen anderen Social-Audio-Startups mitgezählt, die nun auf Team- und Produkt-Übernahmeangebote spekulieren dürften.

Die Integration von Social Audio in andere Produkte wirft eine Frage auf, die im Plattformzeitalter regelmäßig gestellt wird: Handelt es sich um ein Produkt oder nur eine Funktion? Ist also ”Social Audio” ein eigenes Genre oder eben nur ein Teil von “Social” bzw.“Audio”

Copy & Paste – ich vereinfache – in bestehende Systeme ist seit Jahren gängig – ZDnet brachte bereits 2013 die Facebook-Strategie auf einen einfachen Nenner“Buy the best, copy the rest” Der erfolgreichste Produkt-als-Feature-Klon des Zuckerberg-Konzerns sind die selbstlöschenden Kurzvideos, die Snap prominent machten und dann von Facebook als Instagram Stories kopiert und integriert wurden. Erst vergangene Woche stellte Facebook diverse Audio-Features vor, unter anderem eben einen Clubhouse-Klon. Das führte intern zu dieser Reaktion:

Ryan Mac🙃 @RMac18The top employee voted question at today’s internal Facebook Q&A for Mark Zuckerberg: „What is our next big product, which does not imitate already existing products on the market?“April 22nd 2021593 Retweets9,692 Likes

Facebook ist zwar besonders kopierfreudig, aber nicht alleine: Auch Apple hat diverse Funktionen anderer Apps oder von Jailbreaks in iOS integriert, Google ebenso in Android. Microsoft erledigt das Ganze wiederum durch Zukäufe.

Die Strategie Apps-als-Feature ist einerseits defensiv: Facebook konnte mit der Snap-Kopie verhindern, dass die junge Zielgruppe von Instagram abwandert. Ähnlich Twitter: 2015 bediente sich die Videostreaming-App Meerkat an Twitters Graph-API, Twitter blockierte Meerkat innerhalb kurzer Zeit und kaufte mit Periscope ein direktes Konkurrenzprodukt, um es seinerseits zum Twitter-Feature zu machen.

Auf der anderen Seite ist die Integration ein vor allem aus China importiertes Versprechen, wo “Super Apps” verschiedenste Social-, E-Commerce-, und Payments-Features vereinen, also alle Funktionen bündeln. Allerdings hat sich die Methode “Schweizer Taschenmesser” bislang in den USA und Europa nicht durchgesetzt.

Und, drittens und nicht zu vergessen – 2021 bedeutet “Apps-als-Feature” auch: Vorsicht, die Wettbewerbsbehörden gucken zu!

Modularität und Medienbrüche

Ob wir von einem Produkt oder einem Feature reden, hängt von der Möglichkeit der Modularisierung ab – also ob ich es unkompliziert zu einem Baustein meines Systems machen kann.

Ein plakatives Beispiel: Microsoft kaufte die To-Do-App Wunderlist, weil im Office-Kontext To-Do-Listen sinnvoll sind (das Beispiel hinkt etwas, weil man danach de facto die Wunderlist-Leute auf die hauseigene ToDo-App ansetzte). Oder Facebook und Snap: Der Kern der Snap-Idee war, ein Netzwerk auf kurze, selbstlöschende Videos aufzubauen. Das widersprach der damals üblichen Instagram-Nutzung (als soziales Netzwerk aus kuratierten Fotos), aber passte gut zur Grundsatzidee von Instagram als kamerabasierten sozialen Netzwerk.

Modularität hat aber Tücken, die in Umsetzung der Integration (vgl. Twitter und Periscope) und Funktionalität der Haupt-Software liegen: Ben Thompson merkt an, dass Social Audio als Funktion bei text- und videozentrierten Plattformen einem Medienbruch gleich kommt. Er schreibt über die angekündigten Live-Audioräume bei Facebook:

I am skeptical for many of the same reasons I am skeptical about Twitter Spaces. First and foremost, both Twitter and Facebook are about scrolling a feed of information that is both visual and information dense. Audio content is the exact opposite — it is something you listen to in the background, and it is more about entertainment than information density. Yes, I understand that Twitter has your interest graph, and that Facebook has your social graph, but I continue to believe that mismatch in medium matters more than the relative advantage the two social networks have in terms of network

Ich bin aus zwei Gründen weniger skeptisch:

1. Die eigentliche Strategie, die Twitter und Facebook gerade verfolgen, zielt auf ”Creator”/”Kreative”. Konkret: Auf Menschen (und Organisatoren), die Fans/Anhänger/ein Publikum haben. Und die über die Plattformen Newsletter, Livevideo, Live-Audioauftritte aus einer Hand anbieten (und dafür Abo-Zahlungen verlangen könnten). Audio ist dabei ein Baustein, aber nicht der zentrale. De facto genügt es den Plattformen womöglich schon, das Clubhouse-Wachstum zu stoppen, bevor das dortige Creator-Programm in Schwung kommt (btw: bei Substack, also im Newsletter-Bereich, wird das schwieriger, da man dort schon weiter ist).

2. Ben Thompson hat mit seinem Medienbruch recht (und sieht deshalb Spotify als größten Clubhouse-Konkurrenten). Der Medienbruch passt aber meiner Meinung nach nicht auf alle textbasierten Plattformen: Ein Reddit mit Social Audio ist für mich zum Beispiel eine Variation von Discord (ebenfalls eine Social-Audio- und Chat-App, die ihren Ursprung im Gamingbereich hatte, aber inzwischen als Dauer-Chatraum fungiert). Bei LinkedIn passt Social Audio wiederum zur Zielgruppe; das schafft Anreize, Hindernisse in der Nutzeroberfläche zu ignorieren (und wer LinkedIn nutzt, erwartet sowieso nicht viel in Sachen Bedienfreundlichkeit, höhö).

Für Clubhouse bedeutet das, unabhängig vom möglichen Erfolg dieser Projekte, nichts Gutes. Denn die Communitys auf Clubhouse sind noch nicht gefestigt, die Vernetzung und der weitere Austausch finden nicht unbedingt auf Clubhouse selbst statt. Das macht die App modularisierbar, drängt sie also in die Spalte “Funktion”. Clubhouse ist deshalb ( genau wie Discord): ein Übernahmekandidat.