Die amerikanische Wettbewerbsbehörde FTC sowie die Justizminister fast aller US-Bundesstaaten wollen Facebook zerschlagen. Das Echo darauf war landauf, landab sehr positiv. Was zeigt, wie verhasst der Konzern ist.
Wenn jetzt aber von einem Wendepunkt die Rede ist, wäre ich vorsichtig.
Beginnen wir bei den Klagen selbst. Die Stoßrichtung ist klar: Zuckerberg ist laut Dokumenten der Konzern-Bösewicht, der damals mit Instagram und WhatsApp prophylaktisch mögliche Rivalen aufkaufte, um sich ein Monopol zu sichern.
Als Belege dafür dienen E-Mails, die das mehr oder weniger wörtlich so beschreiben. Zitat Zuckerberg:
“The basic plan would be to buy these companies and leave their products running while over time incorporating the social dynamics they’ve invented into our core products. One thing that may make [neutralizing a potential competitor] more reasonable here is that there are network effects around social products and a finite number of different social mechanics to invent. Once someone wins at a specific mechanic, it’s difficult for others to supplant them without doing something different.”
Nun sind diese Aussagen der FTC nicht erst seit gestern bekannt – sondern waren es im Prinzip schon während der Überprüfung der Instagram-Übernahme 2012. Damals gab es allerdings keine Mehrheit für eine Blockade, die FTC segnete die Übernahme ab.
Die Entscheidung von damals ist allerdings nicht endgültig: Auch die problematischen regionalen Zukäufe des Telefonanbieters AT&T in den Siebzigern wurden einst genehmigt. Später korrigierte sich die FTC und zerschlug den Konzern.
Allerdings ist klar: Wenn sich die FTC korrigiert und die US-Bundesstaaten klagen, müssen die Argumente valide sein.
Und hier wird es problematisch. Denn der Nachweis eines Verbraucherschadens ist schwierig. Die Argumentation geht ungefähr so: Ein umkämpfter Markt hätte bessere Produkte, aber auch einen größeren Privatsphären-Schutz zur Folge.
Zunächst einmal lässt sich kaum behaupten, dass Facebook-Produkte keine Konkurrenten hätten: TikTok, Snap, Twitter zum Beispiel. Zudem ist es problematisch, das Ausschalten von direkten Konkurrenten als Argument bei WhatsApp anzuwenden – ein Feld, das damals (noch) nicht zum klassischen Social Media gezählt wurde, wie Ben Thompson argumentiert.
Tim Wu wiederum weist zumindest darauf hin, dass es bei allem nicht darum geht, eine kontrafaktische Geschichtsschreibung nachzuweisen (“Wenn Facebook Instagram nicht gekauft hätte, wäre der Markt ausgeglichener”). Sondern de facto marktbeherrschendes Verhalten und die Tatsache nachzuweisen, dass ein gekauftes Unternehmen eine Bedrohung für diese marktbeherrschende Stellung war.
Nebenbei gibt es noch einige Ungereimtheiten. Alex Stamos hat darauf hingewiesen, dass sich die FTC widerspricht: Einerseits hat man selbst Facebook mit Rekordstrafen belegt, weil über die APIs Daten abflossen. Nun wird die Blockade des API-Zugangs für Dritte als wettbewerbsverzerrend gewertet. Schwierig.Alex Stamos @alexstamosThe FTC reads their own consent decrees, right? As I pointed out when it happened, the FTC really missed the competition boat with their huge focus on API access and now this section, while accurate, is at least tonally if not practically incompatible with what they demanded. December 9th 202010 Retweets60 Likes
Das Verfahren wird erst in einigen, wahrscheinlich vielen Jahren entschieden sein. In der Praxis zerschlagen die US-Gerichte Großkonzerne nur ungern. Der letzte große Fall war 1984 – oben beschriebene Aufspaltung von AT&T (die allerdings vielerorts nur regionale Monopole zur Folge hatte, keine echte Marktöffnung).
Wenn man hingegen die Microsoft-Parallele zieht, ist nicht alleine das Urteil entscheidend, sondern bereits das Verfahren ein Auslöser von unternehmerischer Passivität (empfehlenswert dazu: Charles Arthur – Digital Wars). Allerdings ist Facebook ein anderes, aggressiveres Unternehmen.
Sollte es zur Zerschlagung kommen, wäre die Entflechtung nicht trivial: Instagram und Facebook teilen die Infrastruktur, die Migration hat sechs Jahre gedauert.
Das heißt nicht, dass eine Entflechtung/Zerschlagung unmöglich wäre. Sie ist prinzipiell wahrscheinlich sogar wünschenswert. Aber die Hürden sind hoch.
Der Schlüssel liegt womöglich eher in Begrenzungen aller Netzwerke auf eine bestimmte Nutzerzahl (z.B. nicht mehr als x Millionen Nutzer), wobei das unserer Vorstellung von sozialen Netzwerken widerspricht.
Weitere Möglichkeiten wäre die Öffnung von Zugängen (vgl. die deutsche Kartellrechts-Überpüfung des verpflichtenden Facebook-Logins bei Oculus), Pflichten zum Teilen von Daten oder Auflagen zur Datenverarbeitung. Fred Wilson zum Beispiel schlägt vor, Facebook zu einem Protokoll zu machen, auf das andere Software aufsetzen kann (wie einst bei Twitter).
Ich bin mir selber noch unsicher, was der richtige Weg ist. Aber die Antwort auf die Probleme mit digitaler Marktdominanz lautet nicht einfach “XYZ sollte zerschlagen werden”, auch wenn sich das leicht leitartikelt. Sondern die Lösungen müssen konkret sein. Und wie bei der Datenschutzgrundverordnung, die de facto die großen Tech-Konzerne gestärkt hat, sind auch hier unerwünschte Nebenwirkungen möglich, die es zu vermeiden gilt.
(Foto-Quelle: arcticpenguin, Flickr, CC BY-NC 2.0)